Zirkuläres Bauen - ein zweites Leben für Baustoffe
Shownotes
Wie Kleinanzeigen nur für Baumaterialien - so in etwa lässt sich die Idee von Concular ganz vereinfacht beschreiben. Doch das ist nur ein Bruchteil dessen, was die Business Development Managerin Rebekka Steinlein und ihr Team anbieten. Das innovative Startup hat sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, die Immobilien- und Baubranche hin zu einer kreislaufgerechten, nachhaltigen Wirtschaftsweise zu transformieren. Hierfür bieten sie eine Vielzahl an Softwarelösungen und Beratungsdiensten für zirkuläres Bauen an und betreiben einen Shop, in dem wiederverwendbare Baumaterialien angeboten werden.
Architekturbüros wie LXSY, in dem Kim Le Roux Partnerin ist, setzen das Konzept des zirkulären Bauens und des Urban Minings kreativ um. Sie planen und konzipieren Gebäude so, dass möglichst viele gebrauchte Materialien erneut verwendet werden können. Diese innovative Form des Bauens kann in Berlin-Neukölln hautnah erlebt werden.
Unsere Moderatorin Sandra trifft die beiden Expertinnen im Impact Hub, das auf dem Gelände der ehemaligen Kindl-Brauerei entstanden ist. Wo bis 2005 noch Bier in Strömen floss, verschmelzen heute historische Backsteingebäude mit wiederverwendeten Materialien wie Holz, Metall und bunten Fliesen.
In dieser Folge stellt Sandra den Expertinnen die Frage: Zirkuläres Bauen – wie können wir die Materialien unserer urbanen Minen besser nutzbar machen?
Hier findet ihr Infos zu uns und dem Z LAB.
Transkript anzeigen
00:00:00: Sandra: Hallo zusammen, willkommen zu unserem Podcast Baustelle Zukunft, dem Podcast über die Themen Digitalisierung und Innovation in der Baubranche hier aus dem Berliner Zeppelin LAB. Ich bin Sandra May.
00:00:22: Wulf: Und mein Name ist Wulf Bickenbach. Hallo auch von mir.
00:00:24: Sandra: Wulf, eine Mine stellen wir uns ja klassischerweise als einen Ort vor, an dem unter sehr schweren Bedingungen Rohstoffe aus der Erde geholt werden. Kannst du dir vorstellen, dass wir zwei gerade in Berlin-Kreuzberg auch in einer Mine, nämlich einer urbanen Mine, sitzen? Die ist eine Goldgrube für Baumaterialien.
00:00:40: Wulf: Okay, also ich bin im Ruhrgebiet aufgewachsen und habe es bildlich vor Augen, wie schwierig es ist, Rohstoffe aus der Erde zu holen. Wenn du jetzt über die urbane Mine sprichst, dann glaub ich mit einem bisschen Fantasie ahnen zu können, wo du mich hin mitnehmen möchtest.
00:00:55: Sandra: Sehr gut. Um das ganze mit ein paar Fakten zu untermalen: Das Umweltbundesamt hat im Jahr 2010 den Gesamtbestandes des anthropogenen Lagers der Bundesrepublik auf 51,7 Milliarden Tonnen Material geschätzt. Ihr fragt euch bestimmt, was ist mit "anthropogen" gemeint. Das sind die Materialien aus natürlichen Lagerstätten, die umgewandelt werden und jetzt in Infrastrukturen, Gebäuden und Alltagsgegenständen zu finden sind. Warum ist das Ganze für unseren Podcast wichtig?
00:01:23: Sandra: Weil der größte Teil im Bausektor landet, nämlich 55 % der Lagermassen befinden sich in Wohn- und Nicht-Wohngebäuden.
00:01:31: Wulf: Okay, wenn ich mir das jetzt also noch mal verbildliche, dann geht's praktisch um die Sande und Kiese, die mal abgebaut wurden, um daraus Beton zu machen, der jetzt heute in einem Gebäude drin steckt. Welche Potenziale schlummern da drin und wie kann man die dann eigentlich nutzbar machen?
00:01:44: Sandra: Die Antwort darauf ist das Konzept des zirkulären Bauens, das die urbane Mine als Quelle für Baumaterialien vorsieht. Gebäude sollen so gebaut und entworfen werden, dass Bestandteile am Ende der Nutzungsdauer wiederverwendet werden können. Das heißt, die urbane Mine wird zur unerschöpflichen Quelle für Baumaterialien und die Materialien werden immer wieder in den Kreislauf zurückgeführt. Das ist aber weitaus schwieriger als es klingt.
00:02:07: Wulf: Das hört sich spannend an! Gibt es denn bereits Bauprojekte, die sich dieses Konzept zu Nutze machen?
00:02:13: Sandra: Ja, es werden glücklicherweise immer mehr. Ich habe eins davon besucht, nämlich das Impact Hub auf dem Vollgut Areal in Berlin Neukölln. Was hier kaum erkennbar ist: Hier wurde bis zum Jahr 2005 noch jede Menge Bier hergestellt. Auf dem Gelände befindet sich nämlich die Kindl Brauerei. Auf dem einen Teil ist die historische Fassladehalle untergebracht. Die wurde um zwei Etagen aufgestockt und nach dem Paradigma des zirkulären Bauens entwickelt.
00:02:38: Sandra: Hier befindet sich heute das Impact Hub, ein Coworking Space für sozial-orientierte und nachhaltige Unternehmen. Das renommierte Baunetz Magazin hat das Projekt als Meilenstein in der Bauwende tituliert.
00:02:49: Wulf: Da bin ich natürlich schon gespannt, worum es sich dabei genau handelt. Mit wem hast du denn dort vor Ort gesprochen?
00:02:54: Sandra: Ich habe mich mit Kim Le Roux und Rebekka Steinlein getroffen. Kim ist Architektin und Teil des Architekturbüros LXSY, das auf zirkuläres Bauen spezialisiert ist und den Innenausbau des Impact Hubs verantwortet. Rebekka ist Business Development Managerin im Start up Concular, das im Coworking Space des Impact Hubs sitzt und Softwarelösungen für das zirkuläre Bauen anbietet.
00:03:16: Wulf: Ja, und damit kommen wir dann auch schon zu unserer Leitfrage für die heutige Folge. Und die lautet: "Zirkuläres Bauen - Wie können wir die Materialien unserer urbanen Minen besser nutzbar machen?" Dann lasst uns mal gemeinsam reinhören.
00:03:39: Sandra: Ich befinde mich jetzt im Impact Hub. Ich bin gerade die Treppe zum Eingang hochgegangen - wahrscheinlich wiederverwendet eine alte Feuertreppe. Und kann sehen, hier werden viele Materialien gemischt. Holz das wiederverwendet wurde. Dämmung aus nachhaltigen Materialien, in dem Fall gedämmt mit Stroh. Ich laufe vorbei an alten Waschbecken, die wahrscheinlich eingesammelt und hier wieder aufgestellt wurden an einigen Büros und gehe jetzt zu unserem Treffpunkt, wo ich unsere beiden Interviewgäste treffe. Nämlich in die Cafeteria des Impact Hubs...
00:04:12: Sandra: Hier stehen viele verschiedene Möbel, die gemietet sind und später wieder an den Vermieter zurückgegeben werden, wenn sie nicht mehr benötigt werden. Und ich kann zum Beispiel auch sehen, dass die Balustraden der zweiten Etage Laufgitter sind aus Hochhäusern, die zurückgebaut wurden und U-Bahn-Schächten . Und setze mich jetzt hin und warte auf unsere Interviewgäste.
00:04:39: Sandra: Kim, ich freue mich sehr, dass wir heute sprechen können. Wir befinden uns hier im Impact Hub und du und dein Büro LXSY, ihr seid ja auf zirkuläres Bauen spezialisiert. Kannst du unseren Hörer:innen erklären, was genau ist zirkuläres Bauen? Und auch ganz wichtig für viele Zuhörer:innen: Wie unterscheidet es sich zum Recycling, dass ja sehr viele auch aus ihrem Alltag natürlich kennen?
00:04:57: Kim Le Roux: Okay, große Frage. Hi Sandra, schön dass ich hier mit dir sitzen darf im Impact hab. Genau. Also was ist erst mal zirkuläres Bauen. Da geht es um kreislauffähiges Bauen. Also wirklich Kreise schließen und Materialkreise schließen und natürlich um Müllreduktion. Klingt erst mal alles schön und einfach. Das ist es natürlich überhaupt nicht, weil wir bisher weniger so konstruiert haben. Also das heißt, Außenwände, Decken, Dächer sind verklebt oder verschweißt und die kriegt man kaum noch auseinander und die werden dann automatisch Sondermüll.
00:05:34: Kim Le Roux: Und unsere Herangehensweise ist es, genau zu gucken, mit was für Materialien bauen wir und, dass es rückbaufähig ist. Quasi so, dass man die Materialien trennen kann und im Idealfall gehen die dann wieder zurück zum Hersteller oder die Holzplatte wird wieder aufgefrischt und wieder als Holzplatte irgendwo anders eingesetzt. Also viel von unserer Architektur dreht sich darum, um Materialauswahl, Materialfügung,
00:05:58: Kim Le Roux: wie fügen sie sich zusammen -, dass wir anders entwerfen, sodass Sachen rückbaufähig sind. Und dann ganz viel dokumentieren, weil es ein großes Problem momentan ist, dass wenn man so ein Gebäude... wenn man im Bestand etwas rückbaut oder so... weiß man nicht, was da drin ist. Man kann es gar nicht sehen. Meistens ist es so, da ist eine abgehangene Decke, eine Vorsatzschale und man weiß überhaupt nicht mehr, was dahinter ist.
00:06:21: Kim Le Roux: Ist das jetzt eine Backsteinwand, eine Stahlbetonwand, eine Holzwand? Es gibt so unterschiedliche Methoden von "3 Rs" zu "5 Rs", zu "7 Rs", was in dem zirkulären Bauen benutzt wird. Wir starten immer bei "Refuce". Also "verweigern". Erst mal, wenn es geht, das, was da ist, so stehen lassen. Wenn man aber doch bauen muss oder weil es schadstoffbelastet ist oder so ein Wasserschaden ist, dass es nicht mehr benutzt werden kann, dann baut man es halt zurück.
00:06:47: Kim Le Roux: "Reduce" ist dann die zweite Wahl. Dass man sich dann überlegt: "Okay, wie kann ich reduziert was umsetzen?" Einmal geht es darum, dass man dann halt so wenig neue Rohstoffe wie möglich einsetzt. Also nur das, was absolut notwendig ist. Wenn man aber doch mehrere Schichten braucht, wie zum Beispiel aus Brandschutz gründen oder Sicherheitsgründen, dann sollte man gucken, vielleicht, ob man dann auch noch auf "Reuse", also wiederverwendete Baumaterialien, setzen kann. Weil das ist... vermeidet Müll und vermeidet den Prozess davon, ein Baumaterial herzustellen.
00:07:19: Kim Le Roux: Also diese Herstellungskosten... Wie wir beim Impact Hub, wo wir jetzt gerade sitzen und in der Cafeteria zum Beispiel... Da sieht man ja hier so die Balustrade. Die ist so aus Metallgittern. Das kommt aus einem Schacht, also aus alten Schächten, und die wurden quasi gesichert. Also beim Rückbau eines Hochhauses haben die quasi diese Metallgitter da rausgenommen und anstatt dass sie auf dem Müll landen und wieder runter geschmolzen werden, was CO2-intensiv ist und dann wieder in eine neue Metallform geformt wird, was auch wieder CO2 kostet, haben wir es einfach eins zu eins quasi hier wieder eingesetzt.
00:07:51: Kim Le Roux: Wenn das auch nicht klappt, dann sagen wir: "So, kann man das Material mieten?". Also zum Beispiel hier im Impact Hub haben wir Licht und Möbel gemietet. Also die Tische, die wir hier sehen, sozusagen, die sind gemietet. Also manche sind schon im zweiten Leben, manche im ersten Leben. Aber wenn zum Beispiel eine andere Nutzung hier reinkommt, dann nimmt der Hersteller NORNORM das wieder zurück, arbeitet es auf und es kommt einfach in ein anderes Büro.
00:08:13: Kim Le Roux: Und wenn mal mieten nicht geht, dann sagen wir okay, dann gehen wir zu Recycelmaterial. Das ist Material, zum Beispiel, wie wenn eine Betonwand abgerissen wird. Dann wird die geschreddert und dieses geschredderte Material kann wieder in einen Recycelbeton eingesetzt werden. Das heißt, teils neues Material und teils dieses Recyclingmaterial als Zusatz. Das kostet aber trotzdem immer noch viel mehr CO2 als die anderen Prozesse, die ich gerade vorher beschrieben habe.
00:08:38: Kim Le Roux: Und dann, wir hören immer bei fünf R auf. Das fünfte ist bei uns "Rot". Also dass wir hauptsächlich nachwachsende Rohstoffe einsetzen wollen. Und weil das dann ein Primärrohstoff ist, steht das jetzt bei uns ganz unten auf der Liste. Trotzdem ein sehr wichtiges Bauelement und wir setzen sehr viel Holz ein. Aber das kommt dann als nächstes in der Liste.
00:08:55: Kim Le Roux: Und alles danach sollte man eigentlich gar nicht verwenden, weil das dann schädliche Baustoffe sind.
00:08:59: Sandra: Du hast ja jetzt schon ein paar einzelne Beispiele gebracht. Kannst du uns noch mal einen groben Überblick geben, was ihr hier für Aufgaben übernommen habt bei der Planung und dem Bau des Impact Hubs und der Gestaltung des Interieurs?
00:09:10: Kim Le Roux: Wir sind gut befreundet mit dem Impact Hub. Wir haben auch schon ihren ersten Space ausgebaut und kennen uns jetzt schon fast zehn Jahre.
00:09:17: Kim Le Roux: Und als wir dann gesagt haben: "Okay, sie brauchen einen größeren Space", haben wir gesagt: "Okay, es müssen auf jeden Fall jetzt Räume sein, die nachhaltig sind." Das passt zu ihrem Businessmodell und waren lange auf der Suche und sind dann auf das CRCLR House gestoßen. Und haben gesagt, das passt, passt wie die Faust aufs Auge. Und haben gesagt: "Okay, wir haben ein bisschen ein Raumprogramm gehabt und dann war die erste Aufgabe: Wie entwerfen wir jetzt etwas, ohne zu wissen, welche Materialien wir einsetzen werden?
00:09:42: Kim Le Roux: Es war schon erst mal bei uns im Büro ein bisschen so ein Denksport. Aber Sophia Wenzler, Lina Aakeroy und ich haben uns dann echt Gedanken dazu gemacht, wie so was funktionieren könnte und haben quasi gesagt: okay, was braucht der Nutzer hier einfach als Basic-Anforderung? Und dann welche Materialien würden jetzt dazu passen und wo können vielleicht die Anforderungen etwas heruntergeschraubt werden?
00:10:03: Kim Le Roux: Sozusagen, dass wir einfach so wenig Ressourcen wie möglich verwenden. Und das haben wir jetzt quasi hier gemacht. Weil so ist grundsätzlich alles perfekt, aber natürlich an ein, zwei Stellen fehlt vielleicht die Akustik, weil wir gesagt haben, okay, wir sparen jetzt dieses Material. Kkann man natürlich immer noch nachrüsten. Aber es war so ein bisschen, zu gucken, so reduziert wie möglich und so viel wiederverwendetes
00:10:23: Kim Le Roux : Baumaterial als möglich zu verwenden. Wir sind auf 70 % gekommen. Was echt der absolute Hammer ist. Und wir haben dann diesen Entwurf gemacht und haben mehrere Bilder gezeigt, was für Material es werden könnte. Zum Beispiel die Innenwand war einmal Backstein, einmal Holz, einmal Glas. Je nachdem, was wir finden und dann sind wir auf die Materialsuche gegangen.
00:10:46: Kim Le Roux: Da war Concular gerade noch so am Starten. Da waren wir schon viel im Gespräch mit Concular. Aber wir haben dann zu der Zeit noch selber auf Abrissbaustellen Materialien rausgeholt, auf Ebay gesucht, ähm, auf unseren Baustellen, die wir parallel noch betreut haben Müll gerettet. Von Tischlereien sind wir jeden Monat jeden Freitag herumgegangen mit einem Sprinter und haben das Material abgeholt.
00:11:12: Kim Le Roux: Das hat super funktioniert, weil wir sehr viel auch einfach umsonst gekriegt haben und nur noch aufarbeiten mussten. Und wir haben dann halt in dieser Riesen Fasslagerhalle, die es ehemals war, auch eine Werk- und Montagehalle quasi aufgebaut. Und das Holz gehobelt, geschliffen, geölt oder alte Fenster repariert, die dann in die Wände eingebaut wurden. Es war ein sehr kollaborativer, partizipativer und interessanter und stressiger Prozess.
00:11:40: Sandra: Und experimentell auch.
00:11:41: Kim Le Roux: Total! Auch viel Prototyping. Wir haben auch alles getestet, wie man diese Bauteile zusammenbaut.
00:11:45: Sandra: Das unterscheidet sich ja dann schon sehr vom herkömmlichen Architekturentwurf im Grunde. Es kommen ja noch viele Aufgabenbereiche dazu, die den Job natürlich viel komplexer machen, aber auch unglaublich spannend.
00:11:56: Kim Le Roux: Ja, voll. Also wir haben natürlich nach diesem Projekt viele Prozesse bei uns im Büro noch mal umgekrempelt. Überlegt, wie unsere Arbeitsprozesse aussehen, wo kann man was einsparen.
00:12:06: Kim Le Roux: Müssen wir unsere Verträge anders schreiben? Eine lange Zeit hatten wir einfach dieses Take-Make-Waste... Und das ist... auch die Architekten, das ist sehr ego-driven. Ich baue mir meine Statur dahin mit dem Design und es ist mir auch egal, ob es passt oder nachhaltig ist. Und da müssen wir jetzt einfach noch mal gucken, alles noch mal hinterfragen und auch Prozesse, die sich so eingebürgert haben, über die letzten 20 bis 30 Jahre, die muss man wirklich hinterfragen, weil manche machen gar keinen Sinn, die sind veraltet, passen auch nicht mehr zu unserer Gesellschaft.
00:12:36: Kim Le Roux: Und deshalb sind Margit Sichrovsky meine Geschäftspartnerin und ich super viel politisch aktiv gerade, einfach in der Architektenkammer, um letztlich all diese Themen so ein bisschen anzuschneiden.
00:12:48: Sandra: Was denkst du, was sind da gute Hebel auch im Beruf des Architekten? Was sind die politischen Ebenen, an die ihr euch dann setzt?
00:12:53: Kim Le Roux: Ein Hebel für mich wäre jetzt baurechtlich. Also Abriss sollte genehmigungsfähig dokumentiert werden. Dann wüsste man, welche Materialien ausgebaut werden würden und wir könnten die ganz anders in den Kreislauf einführen. Das wäre auf jeden Fall ein Ding, was sich dringend ändern müsste. Und dann, es gibt in der Architektur so etwas wie, man muss bauen nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik. Und diese Details, die sind nirgendwo in einem Buch dokumentiert. Wenn es das Detail schon fünfmal gab, dann ist es quasi ein Standard, der funktioniert.
00:13:26: Kim Le Roux: Und dann über 20 Jahre oder so. Das kann man natürlich mit Reuse-Materialien oder Recyclingmaterialien nicht nachweisen. Also ist es dann eigentlich nicht mehr so regelkonform. Und das sind so ein paar veraltete Muster, die man gerade ändern muss. Oder die Normen, die einfach durch die Lobby angeschoben worden. Wie für 500 Lux in Büroräumen. Das ist absurd.
00:13:50: Kim Le Roux: Keiner braucht so viel Licht, außer vielleicht ein paar Programmierer, aber sonst sozusagen im normalen Bereich reichen 300 Lux. Aber man muss jetzt 500 Lux haben, wenn man eine Arbeitsstätten-Richtlinien-Förderung haben möchte. Und das sind so Sachen, die haben sich einfach eingeschlichen. Und wie dreht man die wieder um? Und daran arbeiten wir gerade so ein bisschen.
00:14:10: Sandra: Wie war denn die Zusammenarbeit mit den Handwerker:innen, die die Materialien hier eingebaut haben? War das positiv? Also tatsächlich, manche haben sich bestimmt auch gefreut, dass sie mal anders arbeiten können, als sie das normalerweise kennen. Oder gab es auch viel Skepsis, dass man gebrauchte Materialien nicht unbedingt gerne einbauen möchte, vielleicht auch wegen Fragen der Haftung, Unsicherheiten?
00:14:30: Kim Le Roux: Wir haben also bei dem Projekt hier vor allem viel mit Handwerkern, die wir schon gut und lange kennen und... Handwerker machen sich eh schon immer lustig über Architekten, was für lustige Ideen man so hat. Das ist nur noch eine lustige Idee, die wir uns ausgedacht haben. Von daher, ach, haben die das so... haben die so mitgenommen. Aber was sich dann im Prozess gezeigt hat, dass sie so: "Ach, aber eigentlich ich mache das ja auch so Zuhause". Also das ist jetzt nicht... Wir erfinden nicht die Welt neu mit zirkulären Bauen. Das war früher halt viel mehr so. Wenn man ein altes Steinhaus zurückgebaut hat, dann hat man das woanders direkt wieder eingebaut.
00:15:03: Kim Le Roux: Das machen wir nur jetzt nicht mehr und die Handwerker machen das aber noch. Von daher hat das nur so ein bisschen gedauert bei manchen. Aber hier haben eigentlich fast alle sich echt auf diesen Prozess eingelassen. War schon echt cool.
00:15:14: Sandra: Ich frage zum Abschluss: Was ist denn deine Vision für für die Architektur der Zukunft, das Bauen der Zukunft? Wird es mehr solche Prozesse geben?
00:15:24: Kim Le Roux: Auf jeden Fall. Also ich glaube für mich, eine Vision wäre, dass das, was man baut, das Maximum-Profit, nicht nur an Geld geknüpft ist, sondern einfach auch an nachhaltige und soziale Ziele. Ich glaube, das würde einfach schon viel ändern. Die EU-Taxonomie macht das ja schon in Teilen, bringt es mit. Aber ich glaube, dass man das... dass man das auch selber einfach noch mehr fördern würde oder wir als Gesellschaft das einfach mehr tragen.
00:15:49: Kim Le Roux: Ich glaube, es geht in die Richtung, es wäre nur super, wenn wir da einfach noch mehr machen könnten. Und wir wollen diesen Planeten ja auch alle noch lange und viel nutzen Und unsere Kinder auch.
00:15:59: Sandra: Auf jeden Fall. Das ist eine wünschenswerte Zukunft. Dankeschön.
00:16:07: Sandra: Rebekka, als LXSY mit dem Ausbau des Impact Hubs beschäftigt war, da wart ihr mit Concular ja noch am Anfang eurer Entwicklung. Wie hättet ihr denn Projektentwickler und die Architektinnen vom Vollgut Areal unterstützen können in der Entwicklung dieses Ortes?
00:16:21: Rebekka Steinlein: Also Concular selber verkauft ja auch ganz viele Materialien, die wir eben in Bestandserfassungen bei Projekten zusammen gesammelt haben. Und das ist ja eine Plattform, über die man eben jetzt gar nicht nur mal in kleinen Teilen hier mal eine Lampe und hier irgendwie ein Waschbecken, sondern wirklich auch in großen Mengen von Projekten, auch einfach gleiche Material in großen Massen haben, die dort zurückgebaut worden, die man eben über Concular kaufen kann.
00:16:45: Rebekka Steinlein: Und das heißt, es wäre natürlich ein einfacherer Prozess gewesen, damals über Concular Materialien zu sourcen, als sie sich einzeln zusammen zu sammeln, auch wenn das hier ja wunderbar geklappt hat.
00:16:52: Sandra: Das kann ich mir auf jeden Fall vorstellen, dass das eine große Hilfe ist, wenn man diese Anlaufpunkte hat und kennt. Und ihr habt ja zum einen eine Online-Plattform, wo die Materialien angeboten werden.
00:17:01: Sandra: Ihr verfügt aber auch über die Hubs, wo die Dinge gelagert werden, wo man Vor-Ort hingehen kann und sich das anschauen kann. Wenn man als Architekt:in oder auch als Handwerker:in Materialien kaufen möchte, wie läuft der Prozess ab?
00:17:13: Rebekka Steinlein: Sehr gerne. Also bei Concular ist es so, dass... Wir bekommen ganz viele Anfragen von Bestandshaltern, die sagen: "Okay, dieses Projekt hier wird zurückgebaut und uns bricht es das Herz zu sehen, dass das alles weggeschmissen wird."
00:17:23: Rebekka Steinlein: Oder auch: "Wir haben bestimmte Ziele, die wir erfüllen müssen mit EU-Taxonomie. Und deswegen möchten wir, dass Materialien wiederverwendet werden." Concular legt speziell den Fokus auf Projekte, die jetzt nicht unbedingt kleine Einfamilienhäuser sind oder Privatprojekte, weil es da eigentlich sowieso auch schon so ist. Also machen es Leute da schon mehr, dass sie Materialien wiederverwenden und das ist auch was, wo man dann einfach auch selber diese Materialien, zum Beispiel selber über [?] oder über Kleinanzeigen verkaufen kann. Sondern es geht explizit um Projekte, wo eben Investoren sagen: "Hey, wir haben hier selber keinen Arbeitsablauf, um das in unseren Prozess mit reinzunehmen, dass wir Materialien vertreiben.
00:17:56: Rebekka Steinlein: Das heißt, wir brauchen einen Partner, der das für uns macht." Dann machen wir eine Bestandserfassung, schauen, was ist in einem Gebäude drinnen. Erfassen, das mit unserer App und gehen da eben durch, digitalisieren das und haben am Ende ein Kataster von allen Materialien, wo wir sagen, die können wiederverwendet werden. Wir schauen uns das Schadstoffgutachten an. Müssen natürlich abgleichen, sind diese Materialien belastet, weil nur das können wir verkaufen, was nicht belastet ist.
00:18:15: Rebekka Steinlein: Und dann verkaufen wir tatsächlich die Materialien, während sie noch eingebaut sind. Weil das ist ja so, dass der Rückbau von Materialien, kostet mehr Geld, wenn man den zirkulär gestaltet, als wenn man die Sachen abschraubt, auf eine Plastikfolie legt, das einwickelt und zum nächsten Ort bringt. Das kostet mehr Geld als es einfach wegzuschmeißen.
00:18:31: Sandra: Und auch die Lagerung natürlich.
00:18:32: Rebekka Steinlein: Genau die Lagerung und eben vor allem auch der Prozess des Rückbaus ist einfach aufwändiger. Und das heißt, dieses Geld möchte man ja auch nur für die Material in die Hand nehmen, die eben auch verkauft wurden oder eben mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit verkauft werden. Das heißt, es ist nicht so, dass wir einfach sagen: "So, das wäre alles möglich und jetzt bauen wir das alles zirkulär zurück." Weil das würde den Kostenrahmen sprengen. Sondern wir haben eben einerseits inzwischen so viel Daten darüber, was kann man gut verkaufen und was geht gut zur Wiederverwendung.
00:18:55: Rebekka Steinlein: Aber eben auch, gehen wir immer mit den Materialien in den Verkauf, während sie noch eingebaut sind, um dann zu wissen, wohin gehen wir jetzt in den zirkulären Rückbau? Dann gibt es eben Materialien, die dann zwischengelagert werden in einem unserer Hubs und Materialien, die eben im Idealfall direkt auf der neuen Baustelle landen. Das heißt, im Idealfall kauft man einfach von Baustelle zu Baustelle und die Zirkulär-Hubs werden gar nicht genutzt.
00:19:16: Rebekka Steinlein: Aber die sind eben eine Möglichkeit, um diese Zeitschienen zusammenzubekommen. Weil oft ist das ein Ausschlussgrund: Hier gibt es einen Bedarf und da gibt es eine Nachfrage, aber die Zeitschiene passt nicht zusammen. Und so kann man jetzt diese zwei Zeitschienen zwischen eben Angebot und Nachfrage besser zusammenbringen durch die Hubs.
00:19:31: Sandra: Und wie sieht diese Bestandserfassung genau aus? Also ihr habt Kollegen und Kolleginnen, die laufen durch die Gebäude und nehmen die dann Fotos von den Dingen auf? Was ist denn so ein Hintergrundwissen, was man haben muss? Reicht es da reinzuschreiben in eure Plattform: "Hier ist eine rote Tür oder hier ist dieser und jener Bodenbelag." Was braucht ihr denn da eigentlich für Hintergrundwissen, um diese Bestandserfassung zu machen?
00:19:50: Rebekka Steinlein: Also das ist tatsächlich ein großer Bereich meiner Arbeit, weil ich viele dieser Bestandserfassungen organisiere. Und wir haben da ein Team von ganz vielen auch Werksstudierenden, aber eben auch einfach Kollegen, Kolleginnen bei uns, die diese Bestandserfassungen machen.
00:20:01: Rebekka Steinlein: Und wir haben da eine eigene Software dafür, die einen im Endeffekt... Also die sortiert nach den Kostengruppen der Produkte und die führt einen in einem Frageprotokoll durch jedes Material durch. Also wenn ich sage irgendwie: "Okay, ich nehme jetzt dieses Fenster auf." Dann mache ich ein Foto von dem Fenster von verschiedenen Perspektiven. Und die Fotos müssen ja auch so gut sein, dass sie den Verkaufsprozess dann eben auch... Die sind ja dann das Verkaufsfoto. Das heißt, das sollten auch ganz gute Fotos sein, wo wir auch mal Licht dabei haben, um die Sachen auch mal gut auszuleuchten.
00:20:25: Rebekka Steinlein: Dann beantwortet man da alle Fragen nach DIN-Anforderungen, die ganzen verschiedenen Abmessungen. Welche Beschläge hat das Fenster, welchen U-Wert hat das Fenster und diese ganzen Maße, die man dann da einträgt. Das heißt, es hilft schon, wenn man selber von seinem Wissens-Background her vielleicht Architektur, Bauingenieurwesen oder so studiert hat oder da einfach Erfahrung mit diesem Material hat, weil es schon auch Detailfragen sind, die dann ja eben auch alle Leute, die diese Materialien mal kaufen werden dann auch stellen werden.
00:20:51: Rebekka Steinlein: Sonst kann man das Fenster auch nicht woanders wieder einbauen. Und dadurch entsteht eben ein ziemlich detailliertes Kataster von dem, was da wirklich drinnen ist, damit das dann danach einfach verkauft werden kann, ohne dass da jemand noch mal hinfahren muss und sich das noch mal anschauen muss.
00:21:04: Sandra: Und ihr habt ja, ich glaube im letzten Jahr, das Urban Mining Hub in Berlin gegründet, was eben eines dieser Zwischenlager ist. Gemeinsam mit der Stadt Berlin, wenn ich das richtig verstanden habe. Wie können wir uns das denn dort vorstellen? Was lagert ihr dort, wie wird das gemanagt? Also wie viele Personen arbeiten dort, wer geht da ein und aus? Wer sind die typischen Kunden, Kundinnen, die vorbeischauen?
00:21:22: Rebekka Steinlein: Genau das Urban Mining Hub hier in Berlin ist das erste. Es folgen bald weitere. Und das ist eben mit dem Senat Berlin und mit Alba, also dem Wertstoffhof Alba... Es ist kein Ort, wo jetzt dauerhaft immer Personal ist, wo man jetzt irgendwie dort einfach wie in einen Baumarkt gehen kann und einfach ein paar Fenster holen kann. Sondern das ist ein Ort, wo eben die Materialien explizit, wenn wir schon Käufer:innen haben und wir aber einen Zwischenlagerort brauchen oder wenn es Materialien sind,
00:21:44: Rebekka Steinlein: wo wir wissen okay, die sind so hochwertig, die werden auf jeden Fall weggehen und der Rückbauprozess muss jetzt so schnell gehen, dass wir sie dann dort zwischenlagern. Und die Materialien werden eigentlich hier aus dem Hub, von unserem Büro aus werden die verkauft und dann fährt man dort hin und die werden dort abgeholt. Das ist aber auch ein Traum von manch einer von uns, dass man irgendwann eine Art Baumarkt hat, wo man wirklich vor Ort oder wir mit einem Baumarkt zusammen das irgendwie gründen oder so. Es gibt ja viele Wege, wohin sich das alles noch skalieren lässt.
00:22:09: Rebekka Steinlein: Aber aktuell ist überhaupt dieser Zwischenlagerort, ist schon total viel wert. Und das heißt, das sind dann eben vor allem Systemtrennwände sind da gerade eben gelagert. Waschbecken, also unterschiedlichste Materialien, Leuchten... Und da ist mal mehr, mal weniger vor Ort. Und es ist eben auch die Idee, das explizit innerhalb einer Stadt mehr Materialien getauscht werden können.
00:22:27: Rebekka Steinlein: Das heißt, es macht vor allem Sinn, diese Urban Mining Hubs in Regionen zu haben, wo man sagt, hier sind viele Baustellen, wo Sachen rein und rausgehen und dass man dann da sagen kann, auch Berlin eben so einen Ort hat. Und als nächstes kommen jetzt Orte in NRW, in Stuttgart, in Frankfurt, in München. Wo wir das eben auch für solche Regionen, wo man wirklich sagt: "Okay, hier sind so viele Baustellen, die beide Bedarfe eben generieren."
00:22:48: Sandra: Ihr wart ja als Concular auch an der Entwicklung der DIN-Norm zur Prüfung und Wiederverwendung von Baumaterialien beteiligt, die letztes Jahr im Herbst veröffentlicht wurde. Warum habt ihr da so viel Arbeit reingesteckt? Was ist diese Norm? Aber was ist auch euer Ziel als Startup dahinter, euch an so etwas zu beteiligen?
00:23:02: Rebekka Steinlein: Eine Sache, auf die wir sehr stolz sind im letzten Jahr, dass diese Norm jetzt verabschiedet wurde. Und so wie Kim vorhin gesagt hat, es gibt ja viele Normen, die in Deutschland einen auch von vielen Dingen abhalten. Es gibt auch viele Normen, von denen wir keine Fans sind, weil die eben dazu führen, dass bestimmte Sachen nicht möglich sind bisher in der Zirkulärität. Und Gleichzeitig natürlich ist das auch ein Werkzeug, um Vorschriften und Ordnungen in Deutschland möglich zu machen.
00:23:24: Rebekka Steinlein: Und unser Wunsch ist... Und wenn man jetzt möchte, dass es eine Regelung gibt, dass das in Deutschland verpflichtend ist, dann braucht man ja dafür auch ein Werkzeug, wie man sagen kann: Wie checkt man eigentlich vorher, was noch wiederverwendet werden kann? Das heißt, es muss überhaupt erst mal ein Regelwerk geben, weil sonst könnte ja jeder einfach durch das Gebäude gehen und sagen: "Ich hab mir das angeschaut, da kann man nichts wiederverwenden."
00:23:46: Rebekka Steinlein: Und diese Norm beschreibt jetzt eben, wie macht man so einen Checkup in einem Gebäude, um zu entscheiden, ob Materialien wiederverwendet werden können.
00:23:54: Sandra: Rebekka, du warst ja, bevor du deine aktuelle Tätigkeit als Business Development Managerin bei Concular aufgenommen hast, Architektin in einem sehr renommierten Architekturbüro. Wieso hast du dich denn erstens zu dem Wechsel zu einem Startup, aber eben auch zu einem komplett anderen Arbeitsbereich entschieden?
00:24:08: Rebekka Steinlein: Ich habe meinen letzten Job auch sehr gerne gemocht und ich fand es auch total spannend, an renommierten Projekten beteiligt zu sein. Es war so ein Prozess, glaube ich, über eineinhalb Jahre, wo ich mich immer mehr mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigt habe, auch als Recherche für ein Projekt, an dem ich gearbeitet habe in dem Büro. Und ich dann gemerkt habe, mir r eicht da der Hebel nicht.
00:24:25: Rebekka Steinlein: Es fühlt sich für mich auch unbefriedigend an, das man ja immer in Abhängigkeit davon ist, wie weit auch die Bauherrenschaft mitgeht und ich, umso mehr ich verstanden habe, wie groß das Problem ist und auch wie sehr wir in der Bauindustrie wirklich eigentlich den wichtigsten Hebel in der Hand haben, weil wir eben die größten Verursacher von Müll weltweit sind als Branche.
00:24:42: Rebekka Steinlein: Das hat mir einfach nicht ausgereicht und ich hatte einfach immer mehr das Bedürfnis, ich möchte Teil einer Lösung sein und nicht mehr Teil eines Problems. Und wie ich das erste Mal von Concular gehört habe, war das für mich eigentlich Liebe auf den ersten Blick. Und ich dachte mir: Okay, krass, wenn das funktioniert, will ich Teil davon sein. Und ich habe mich zwei Wochen später bei Concular beworben.
00:24:57: Sandra: Das bringt mich auch zu meiner letzten Frage: Die Bauprojekte und die Gestaltung von Gebäuden, das ist ja ein sehr prägender Bereich unseres Lebens. Man hat das Gefühl, dass die Werte da noch ein bisschen angepasst werden müssen. Also es geht eben häufig noch nicht darum, dass Nachhaltigkeit teilweise ja noch teurer ist, aber dann man sich das als Gesellschaft leisten möchte. Wie siehst du die gesamtgesellschaftliche Verantwortung für alle Baubeteiligten?
00:25:20: Rebekka Steinlein: Ja, ich denke auf jeden Fall, dass die Werte da noch angepasst werden müssen. Und ich finde, in der Architekturwelt gibt es da auch viele, die da schon interessiert daran sind, motiviert sind. Fand ich zum Beispiel letztes Jahr auf dem Tag der deutschen Architektur Architektinnen... Das war ein Event, wo ich fand, dass total eine gemeinschaftliches Stimmung da war, dass man diese Bauwende anpacken möchte.
00:25:36: Rebekka Steinlein: Und dann gibt es aber natürlich auch die Investoren und es gibt Eigentümer von Gebäuden, die eben vor allem auch oft auf eine Excel-Liste gucken und sehen, wo habe ich den meisten Revenue bei einem Projekt. Und da habe ich oft das Gefühl, dass es noch mehr wie eine Hürde vorkommt und da noch weniger eine Leidenschaft dahintersteht. Also natürlich gibt es da auch totale Ausnahmen.
00:25:54: Rebekka Steinlein: Es gibt auch ganz tolle Leute. Aber, also, dass man da so auf eine intrinsische Motivation setzen kann, bis dahin können wir auch nicht warten. Also es müssen einfach Regularien kommen, die das durchsetzen, egal ob sich da jetzt jemand intrinsisch motiviert fühlt oder nicht. Und trotzdem muss man natürlich parallel das Wissen so verteilen und auch die Werkzeuge Leuten an die Hand geben und auch den Mut teilen.
00:26:15: Rebekka Steinlein: Ich finde es auch voll erleichtern zu wissen, dass ich nicht mehr weiter in mein Privatleben gucken muss: "Ah, okay, also essen ich mal kein Schnitzel mehr." Sondern einfach sagen kann, ich habe in meinem Beruf den allergrößten Hebel. Das ist ja total befreiend zu wissen, ich kann was machen und ich fühle mich nicht immer so machtlos, diesem riesigen Problem Klimawandel gegenüber.
00:26:30: Rebekka Steinlein: Das ist ja eigentlich voll die Bereicherung und voll das Geschenk. Deswegen rede ich auch gerne über dieses Thema, weil ich auch im Gespräch mit Investoren oder so, denen eben auch Mut machen möchte, das als Chance zu sehen. Ich glaube, das sind wir auf jeden Fall auf dem richtigen Weg. Aber es ist auch noch viel zu tun.
00:26:43: Sandra: Toll, das waren schöne, abschließende Worte. Finde ich super, euch heute beide kennengelernt zu haben, dass ihr das auch so aus verschiedenen Bereichen angeht und die Bauwände aktiv gestaltet. Vielen, vielen lieben Dank für das Gespräch.
00:26:56: Rebekka Steinlein: Sehr gerne! Danke schön!
00:26:58: Wulf: Das war jetzt wirklich ein sehr spannendes Interview, was du da mit den beiden geführt hast. Jetzt warst du gleichzeitig auch zum ersten Mal in einem solchen nach dem Paradigma des zirkulären Bauens geplanten und ausgeführten Gebäude. Wie hat sich das denn angefühlt, dort zu sein?
00:27:13: Sandra: Ja, tatsächlich sehr gut, weil diese Materialien, die dort eingesetzt werden, einen sehr wohnlichen Charakter verleihen. Zum einen werden ja natürliche Materialien wie Holz und auch Strohdämmung viel genutzt, zum anderen spürt man, dass die Materialien, die wiederverwendet wurden, ein Leben vorher hatte. Das sieht man zum Beispiel an der Patina und das macht es sehr gemütlich und auch sehr interessant.
00:27:33: Wulf: Jetzt gibt es diese Leuchtturmprojekte, wie dieses auch eines ist. Aber es ist jetzt noch nicht so, dass die Prinzipien des zirkulären Bauens, die Wiedernutzung von Rohstoffen und eben das Heben dieses Riesenschatzes, auf dem wir da sitzen, wirklich überall zu sehen ist und in der Breite angekommen ist. Wo siehst du denn die größten Herausforderungen, damit das zirkuläre Bauen da mit dem Paradigma stärker gefolgt wird?
00:27:56: Sandra: Ja, das stimmt auf jeden Fall. Ich glaube, hier ist noch ein Riesen Brett zu bohren in den nächsten Jahren. Und ich glaube, das Allerwichtigste ist der Mindset-Wechsel vom herkömmlichen Bauen hin zum zirkulären Bauen, da wir ja in den letzten Jahrzehnten in ganz anderer Art und Weise gebaut haben und es eben nicht darum ging, diese Materialien, die im Gebäude eingesetzt werden, später wiederverwenden zu können. Und hier muss ganz viel passieren, auf allen Ebenen, vom Entwurf hin bis zur eigentlichen Entwicklung der Materialien selbst.
00:28:24: Sandra: Darüber hinaus gibt es noch viele Regularien, wie wir im Gespräch gehört haben, die unbedingt angepasst werden müssen. Und ich denke, auch die ganzen Prozesse rund um die Logistik des zirkulären Bauens sind ja gerade am Entstehen. Hier zum Beispiel sehr komplex: Angebot und Nachfrage zusammenzubringen. Da die Zwischenlagerung der Baumaterialien sehr teuer ist, sollten die Materialien eigentlich direkt in der Abbruchphase des Gebäudes an den nächsten Nutzer oder Nutzerinnen gebracht werden.
00:28:53: Sandra: Und dieser kurze Zeitraum ist tatsächlich ziemlich knapp und da sind wir auf digitale Tools angewiesen, um Angebot und Nachfrage zusammenzubringen.
00:29:02: Wulf: Jetzt ist ziemlich gut klar geworden, fand ich, aus dem Gespräch, auf was für einem Schatz wir da wirklich sitzen und zurückkommend auf unsere Leitfrage: Glaubst du denn, dass es möglich ist, die urbanen Minen, die wir haben, besser nutzbar zu machen in der Zukunft?
00:29:16: Sandra: Ja, auf jeden Fall. Und zwar aus einem Grund: Wir haben gar keine andere Wahl. Denn wir alle wissen, Ressourcen werden immer knapper und auch der ganze CO2-Verbrauch, der an die Herstellung von Materialien gekoppelt ist, muss natürlich unbedingt gemindert werden. Ich bin aber auch sehr hoffnungsvoll, denn es entstehen immer mehr Projekte wie das Impact Hub und ich glaube, dass gerade diese Vorzeigeprojekte, Leuchtturmprojekte richtig Schwung in die Szene reinbringen.
00:29:42: Wulf: Super, ich habe richtig viel gelernt aus dem heutigen Gespräch und nehm da viel draus mit. Insofern herzlichen Dank von meiner Seite an Dich, Sandra, für die Interviews, die Du geführt hast. Herzlichen Dank natürlich auch an unser Team hinter dem Podcast, was uns bei Vor- und Nachbereitung tatkräftig unterstützt. Und ich danke unseren Zuhörerinnen und Zuhörern, dass ihr heute dabei wart, bis zum nächsten Mal.
00:30:02: Sandra: Auch von mir. Ich freue mich sehr, wenn ihr beim nächsten Mal wieder einschaltet. Und wenn ihr uns unterstützen wollt, dann freuen wir uns, wenn ihr uns abonniert auf den verschiedenen Podcast-Plattform oder uns Kommentare hinterlasst. Wir nehmen auch immer gerne Feedback an, an unsere E Mail Adresse podcast@z-lab.com. Bis zum nächsten Mal. Ciao!
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