Bauen im Bestand: Altes erhalten, Neues gestalten

Shownotes

Deutschland braucht dringend neuen Wohnraum - doch ungenutztes Bauland ist rar. Gleichzeitig verfolgt die Bundesregierung ambitionierte Klimaziele: Ab dem Jahr 2050 sollen keine neuen Flächen mehr bebaut werden, ohne dass an anderer Stelle entsiegelt wird. Der Flächenverbrauch muss auf netto null sinken. Gleichzeitig gibt es aber auch ein großes Potenzial in deutschen Städten: Durch Umnutzung und Aufstockung könnten laut Studien bis zu 4 Millionen zusätzliche Wohnungen entstehen.

Der „Hessenring“ ist ein Wohnbauprojekt, bei dem durch Nachverdichtung und Aufstockung mit Holz neuer Wohnraum geschaffen wird. Wir treffen Dipl.-Ing. Hendrik Tovar, Architekt und Geschäftsführer bei FFM Architekten, der hier maßgeblich beteiligt war. Er teilt mit unserer Moderatorin Sandra seine Erfahrungen und erzählt von den Herausforderungen beim Bauen im Bestand. Denn Bestandsgebäude bergen oft Überraschungen: Versteckte Mängel, fehlende Pläne oder unerwartete Bausubstanz. Wie dabei digitale Tools und KI unterstützen, zeigt uns Hanna Bonekämper. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungsprojekt NaIS (Nachhaltige Intelligente Sanierungsmaßnahmen) am KIT. Gemeinsam gehen wir der Frage nach: Wie lässt sich die Effizienz und Nachhaltigkeit von Sanierungsmaßnahmen steigern?

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Transkript anzeigen

00:00:00: Wulf: Herzlich willkommen bei “Baustelle Zukunft”, dem Podcast rund um die Themen Digitalisierung und Innovation in der Bauwirtschaft. Mein Name ist Wulf Bickenbach.

00:00:18: Sandra: Und ich bin Sandra May. Hallo, auch von mir. Ökologische Nachhaltigkeit, das ist ein ganz zentrales Zukunftsthema für die Baubranche und die Bundesregierung hat sich deshalb Klimaziele für den Bausektor gesteckt. Darüber haben wir auch schon öfters in unserem Podcast gesprochen. Und dazu gehört auch, dass bis 2050 der Flächenverbrauch für neue Siedlungs- und Verkehrsflächen auf netto Null gebracht werden soll.

00:00:40: Sandra: Das heißt, es dürfen dann keine neuen Flächen mehr bebaut werden, ohne dass an anderer Stelle entsiegelt wird.

00:00:46: Wulf: Das war mir tatsächlich so nicht bekannt. Ist denn das aktuell überhaupt erreichbar? Also besonders, wenn man auf das große Problem des dringend benötigten neuen Wohnraums schaut?

00:00:56: Sandra: Das wird man sehen müssen. Aktuell werden pro Tag noch 54 Hektar Land bebaut und das sind immer noch umgerechnet 75 Fußballfelder.

00:01:05: Wulf: Okay, das heißt, wenn man diesen Flächenverbrauch wirklich vermeiden möchte, müsste man ja dann bereits bestehende Gebäude sanieren und die aktuelle Flächennutzung hinterfragen.

00:01:15: Sandra: Ja, ganz genau. Die Aufstockung von Gebäuden und auch die Umnutzung von zum Beispiel Gewerbegebäuden in Wohnraum, das ist ganz zentral. Und laut dem Umweltbundesamt ergibt sich daraus insgesamt ein ziemlich großes Potenzial, nämlich von über 4 Millionen Wohnungen. Und wir schauen uns heute ein Projekt an, das genau das ermöglicht. Denn ich war vor Ort auf der Baustelle Hessenring in Rüsselsheim und habe mich dort mit Hendrik Tovar unterhalten.

00:01:38: Sandra: Er ist Geschäftsführer des Frankfurter Architekturbüros FFM Architekten und er erklärt uns, wie dort gerade zusätzlicher Wohnraum durch Nachverdichtung und Aufstockung geschaffen wird.

00:01:49: Wulf: Sind denn diese großen Potenziale, von denen du sprichst, überhaupt realistisch zu heben? Denn beim vorherrschenden Fachkräftemangel und den Kapazitätsgrenzen der Bauwirtschaft scheint das ja zumindest fraglich.

00:02:00: Sandra: Ja, da sprichst du natürlich etwas Wahres an und deshalb habe ich mich auch mit der wissenschaftlichen Mitarbeiterin Hanna Bonekämper vom Karlsruher Institut für Technologie abgesprochen. Sie erklärt uns, wie Digitalisierung, künstliche Intelligenz und innovative Analysewerkzeuge dabei helfen, den Sanierungsprozess zu beschleunigen.

00:02:18: Wulf: Also dann lasst uns zusammen reinhören und die Frage klären, wie sich Effizienz und Nachhaltigkeit von Sanierungs- und Umbaumaßnahmen im Bestand steigern lassen.

00:02:32: Sandra: Ich bin heute in Rüsselsheim auf der Baustelle Hessenring ses Architekturbüros FFM Architekten und Sprecher heute mit dem Geschäftsführer Hendrik Tovar. Hallo Hendrik.

00:02:42: Hendrik Tovar: Hallo!

00:02:42: Sandra: Freut mich sehr. Wir sprechen heute über dieses Sanierungsprojekt. Was macht denn das Projekt hier besonders?

00:02:48: Hendrik Tovar: Wir sollten nur die Bestandsgebäude, das sind so vier Bestandsgebäude, mit so Satteldächern, die sollten wir ursprünglich nur sanieren, wärmetechnisch ertüchtigen. Dann kam die Idee: Warum kann man sie nicht auch noch barrierefrei umgestalten? Und wie könnte man sie barrierefrei umgestalten? Und welches Nachverdichtungspotenzial gibt es noch? Dann haben wir uns entschieden zu sagen: “Ja, wir machen das und wir nehmen dieses ganze Thema der Nachhaltigkeit auf.

00:03:13: Hendrik Tovar: Also wie gehen wir mit dem Baumbestand um? Wie gehen wir mit den Zwischenräumen um? Welches Baumaterial verwenden wir?” Holz in dem Fall. Und haben daraus ein bisschen so ein Beispielprojekt gemacht, wie man vielleicht auch mit solchen Siedlungen, die es überall gibt auf der Welt, umgehen kann.

00:03:27: Sandra: Und kannst du uns noch ein bisschen erläutern, wie der Bestand hier aussah? Also welche Form der Gebäude waren hier? Welche Änderung habt ihr vorgenommen und geplant?

00:03:35: Hendrik Tovar: Das ist eine typische Siedlung aus den 60er-Jahren. Die Siedlungen sind alle so gebaut, dass 3- bis 4-geschossige Gebäuderiegel immer quer zur Straße gebaut werden. Mit einem gewissen Abstand. Damals hat man den Abstand ein bisschen größer gewählt und hat die ein bisschen luftiger gehalten, damit die Wohnungen auch möglichst viel Qualität haben und damit sich dazwischen auch gute Freiräume entwickeln können.

00:03:57: Hendrik Tovar: Aber trotzdem haben wir nach Potenzial gesucht, die etwas größeren Zwischenräume so nachzuverdichten, dass wir dort sogenannte Satelliten, das heißt also dreigeschossige Flachdachhäuser, in die Zwischenräume setzen und die mit dem Gebäude so zu verbinden, dass mit einem Aufzug und der Aufstockung alle Wohnungen, die im Neubau entstanden sind, also Gebäudeaufstockungen und den Satelliten, rollstuhlgerecht und barrierefrei sind.

00:04:23: Hendrik Tovar: Das heißt, wir haben auch einen Wohnungsmix neu erstellt, der irgendwie hier vielfältiger geworden ist.

00:04:30: Sandra: Und das ist ja auch, man sieht eine ganz besondere Ästhetik, also eine Mischung aus einem konventionellen 60er- Jahre Bau mit der Aufstockung, die vor allem mit der Holzfassade… und auch im Inneren habt ihr, glaube ich, viel Holz genutzt und das wirkt für mich als außenstehende Person nach einem Projekt, dem Nachhaltigkeit auch wichtig ist.

00:04:51: Hendrik Tovar: Absolut. Das war ein Punkt. Der Bauherr, Gott sei Dank, in der Wohnungsbaugesellschaft, war auch bereit. Eine Holzfassade kostet immer ein bisschen mehr als die normale Wärmedämmverbundsystemfassade. Aber er hat gesagt: “Okay, wenn wir im Neubau aus statischen Gründen eine Aufstockung auf die Gebäude in Holz bauen müssen…” Dann haben wir überlegt: “Ja, könnte es dann nicht auch richtig sein, auch die Neubauten in Holz zu machen, um möglichst wenig an Primärenergie sozusagen einzusparen, beziehungsweise so nachhaltig zu sein, dass auch die Transportkosten vom Material und so weiter geringer sind?”

00:05:26: Hendrik Tovar: Natürlich ist Holz auch ein nachhaltiger Baustoff was die Ökobilanz angeht. Wir haben jetzt im Prinzip an der Stelle natürlich immer auch den Nutzen des Holzbaus. Wir haben immer die dünneren Wände. Das heißt also, wir haben sehr, sehr schlanke Konstruktionen gewählt, gerade weil wir hier auch mit dem engen Baufeld uns da auch den Platz sparen mussten. Und da war der Holzbau auch ein zusätzliches Plus.

00:05:50: Sandra: Was sind denn die Herausforderungen, die ein Sanierungsprojekt wie dieses im Vergleich zu einem konventionellen Neubau mit sich bringt?

00:05:58: Hendrik Tovar: Sanierungsprojekte sind, ich sage jetzt mal, die sind eigentlich die Zukunft. Obwohl leider die Förderungen für den Neubau wieder steigen. Die Sanierungen haben den Vorteil, dass wir a) bestehende Bausubstanz nutzen können, aber die Herausforderungen sind schon vielfältig. Wenn ich heute versuche, einen Altbau in den Neubaumodus zu bringen, dann haben wir fast keine Kosteneinsparung. Das heißt, der Bauherr muss auch Konzessionen machen.

00:06:26: Hendrik Tovar: Er muss auch sagen: “Ich schaff das Treppenhaus, das alte Treppenhaus, das keinen Schallschutz hat, das hat im Prinzip auch weiterhin keinen Schallschutz an der Stelle. Ich muss Kompromisse schließen.” Wir haben hier, dadurch, dass es leer gezogen war, haben wir die Möglichkeit, hier auch vieles zu verändern. Die Bäder alle zu verändern, neu zu machen. Wir haben fast alle Bäder, auch barrierearm ausgeführt.

00:06:47: Hendrik Tovar: Also das haben wir schon im Grundriss geändert. Wir haben die Balkone vergrößert. All diese Dinge, die man heute so ein bisschen will und braucht, die haben wir schon gemacht. Aber das ist es natürlich, muss man auch sehen: Man arbeitet mit Überraschungen. Ein Haus stand sechs Zentimeter schief. Und auch diese Dinge muss man, auf die muss man dann in der Baustellenzeit eingehen können.

00:07:05: Sandra: Welche Besonderheiten ergeben sich in der Planung des Projektes?

00:07:09: Hendrik Tovar: In der Planung des Projektes ist es sehr, sehr wichtig, dass wir vorher ein sehr gutes Ausmaß haben. Und da hilft uns die digitale Welt. Also, wir brauchen Punktwolken, Aufmaße, um dementsprechend den Bestand zu erfassen und dementsprechend relativ sicher zu sein. Da brauchen wir sehr, sehr gute Fachplaner. Wir brauchen auch sehr gute Fachplaner, die im Bestand uns vorab eine Analyse machen, mit welchen Schadstoffen zu rechnen ist.

00:07:34: Hendrik Tovar: Und das kann man weitertreiben. Man kann auch eine Ökobilanzierung machen und so, wenn man das möchte und das muss sehr gut sein. Wenn ich weiss, mit was ich ungefähr zu rechnen habe, dann habe ich nachher auch nicht so viel Kosten, die unerwartet sind.

00:07:49: Sandra: Und es ist wahrscheinlich auch eine Herausforderung… Also ihr habt ja natürlich Bestandsdaten, ihr habt Bestandspläne, aber häufig liegen die ja nicht in der digitalen Form vor. Die wurden in den 60er-Jahren erstellt.

00:07:59: Hendrik Tovar: Richtig

00:08:00: Sandra: Aber ihr müsst natürlich auch im Idealfall mit den Bestandsplänen und Daten umgehen. Oder seid ihr das komplett umgangen, indem er dann diese Punktwolken zum Beispiel erstellt habt, um dann irgendwie ein realeres Bild des aktuellen Standes zu haben und habt die alten Pläne gar nicht genutzt?

00:08:15: Hendrik Tovar: Ja, aus Kostengründen sind wird zweigleisig gefahren. Wir haben Aufmaßpläne gehabt, die waren schon mal nachgeführt vom Mieter, die haben wir abgeglichen mit den Bestandsplänen und haben dann nur auf dem Dach, dort wo die Anbauten sind, wo wir die Höhen haben, wo der Neubau oder die Aufstockung zum Altbau kommt, da haben wir eine sehr, sehr exakte, Laser-vermessene Vermaßung gebraucht.

00:08:36: Hendrik Tovar: Ich muss dann auch manchmal Grundrissänderungen so hinnehmen, wo ich sage, die sind jetzt nicht das, was man sich wünscht, aber sie sind immer noch gut genug, sag ich mal so.

00:08:45: Sandra: Wie habt ihr denn Nachhaltigkeitskriterien bei der Planung des Projektes berücksichtigt?

00:08:51: Hendrik Tovar: Der Bauherr, wir kennen den Bauherrn auch lange und arbeiten mit dem lange zusammen, die gewobau, der Bauherr kann diese Projekte in der Größenordnung gar nicht entwickeln, wenn er keine eigenen Grundstücke verwendet, an der Stelle. Das heißt, die Grundstückskosten sind so hoch, dass wir sagen müssen, wir verwenden die. Wir finden es auch gut, als Nachhaltigkeitskriterien zu sagen, wir nehmen die Grundstücke, die schon da sind, anstatt neue Grundstücke am Stadtrand zu erschließen, also neue Flächen wieder zu versiegeln.

00:09:20: Hendrik Tovar: Natürlich versiegeln wir hier auch Flächen. Die Fußabdrücke der fünf Satelliten, die wir haben, die sind neu, aber dadurch haben wir auch gesagt, wir machen oben große Dachgärten drauf. Wir machen oben so soziale Nutzungen drauf. Das heißt, die Nutzung für die Bewohner bleibt, die vorher vielleicht auf der Erde war, bleibt oben erhalten. Ein Punkt. Und der zweite Punkt ist, dass wir bei den Dachaufstockungen selber gar kein zusätzliches Bauland brauchen.

00:09:47: Hendrik Tovar: Die Dachaufstockung ist eigentlich da, wo möglich, immer ein gutes Thema der Nachhaltigkeit. Und natürlich, wir hatten es gerade schon angesprochen, die Materialien. Wir verwenden… haben reinen Holzbau verwendet, sowohl in der Konstruktion, der Aufstockung als auch in der Konstruktion der Satelliten, dieser Zwischenneubauten… Da haben wir versucht, alle Materialien so zu verwenden, dass sie auch nachhaltig sind.

00:10:14: Hendrik Tovar: Natürlich haben wir auch… Wir haben für die NaWoh haben wir schon zertifizierte Häuser in Hessen gebaut. Wir versuchen, diese Materialien nach den NaWoh-Kriterien auszufüllen. Dass wir sagen, also wir verwenden eben nur bestimmte Baustoffe, die [?] Werte reduziert sind und so weiter. Das gehört auch dazu.

00:10:35: Sandra: In unserem Vorgespräch hast du mir von einer Geschichte erzählt, dass durch das 3D-Aufmaß der Holzbaufirma bestimmte Mängel aufgedeckt wurden. Kannst du das, weil das fand ich wirklich sehr spannend, noch mal unseren Hörern etwas erläutern?

00:10:47: Hendrik Tovar: Ja, das war so, dass wir ein Aufmaß hatten und der Bauleiter rief an und sagt: “Ein Haus hat zwölf Zentimeter Höhenunterschied.” Und wir haben gesagt: “Es kann nicht sein.” Aber tatsächlich haben die damals wohl einen Fehler gemacht. Der ist vertuscht worden und die haben das ganz gut hingekriegt. Man hat es nicht gesehen, als das Dach noch drauf war.

00:11:05: Hendrik Tovar: Und tatsächlich hatten wir zwölf Zentimeter Unterschied und haben dank dem Holzbau, der sehr, sehr gut war, dann uns auf so einen Kompromiss geeinigt, dass wir die sechs Zentimeter ausgleichen und die sechs Zentimeter in der Tiefe belassen, die aber noch in der Bau Toleranz sind. Aber das sind natürlich so Dinge, da kriegt man erstmal einen Schreck. Aber wenn man gute Partner hat, mit denen man das irgendwie auch hinbekommen kann, die nicht gleich wegrennen, funktioniert das.

00:11:31: Sandra: Wie habt ihr denn die Zusammenarbeit mit anderen Projektbeteiligten, also mit anderen Fachplanern zum Beispiel oder den Bauunternehmen gestaltet?

00:11:39: Hendrik Tovar: In der Regel ist es bei uns so, dass wir schon seit über drei Jahren, das Projekt dauert schon so lange, haben wir eine Fachplaner-Konferenz alle zwei Wochen. Die geht dann über eine Bauleiter-Konferenz alle zwei Wochen und in der Fachplaner-Konferenz werden natürlich diese ganzen Punkte abgestimmt. Da gibt es ja vielfältige Themen.

00:11:58: Sandra: Und wenn es dann einen Datenaustausch gibt… also arbeitet ihr mit digitalen Plänen, die unter den Unternehmen auch geteilt werden?

00:12:05: Hendrik Tovar: Das Projekt ist noch ein Projekt, was wir in 2D gebaut haben. Leider. Wir haben es intern in 3D gemacht, aber in 2D wurde es also mit den Fachplanern gebaut. Die anderen Projekte, die wir jetzt zum heutigen Zeitpunkt bauen, bauen wir alle in 3D, manchmal auch als BIM-Projekt, also im Bestandsgebäude, würde ich es immer empfehlen.

00:12:27: Hendrik Tovar: Ich kann da nachher nicht irgendwie Leitungen oder Gebäudeform noch verändern. Es muss einfach alles passen in dieser Gebäudestruktur und da ist ein 3D-Aufmaß und eine 3D-Bearbeitung sehr sehr wichtig. Hier machen wir das so, dass wir es in 2D haben. Es gibt natürlich eine Plattform, wo die Pläne abgelegt werden. Das wird natürlich auch digital gemacht und die meisten Besprechungen waren natürlich auch Videokonferenzen.

00:12:51: Hendrik Tovar: Das hat sich so in den letzten Jahren ergeben.

00:12:55: Sandra: Ja, vielen Dank Hendrik für den sehr spannenden Einblick in das Projekt. Genau. Wir werden jetzt noch mit Hanna sprechen, Hanna Bonekämper, und sie wird uns, ja im Grunde, Einblicke in die Sanierungsprojekte der Zukunft geben, da sie an Lösungen zum Beispiel KI unterstützter Technologien für Sanierungsprojekte arbeitet. Dankeschön.

00:13:20: Sandra: Ich spreche jetzt mit Hanna Bonekämper, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Karlsruher Institut für Technologie. Hallo Hannah, freut mich sehr.

00:13:27: Hanna Bonekämper: Hallo. Freut mich auch.

00:13:29: Sandra: Du arbeitest im Forschungsprojekt NaIS. Kannst du einen kurzen Einblick über das Forschungsprojekt geben? An was arbeitet ihr dort?

00:13:34: Hanna Bonekämper: Sehr gerne. Also NaIS ist erst mal ein Akronym und steht für nachhaltige, intelligente Sanierungsmaßnahmen und ist ein Forschungsprojekt, wo wir mit einem großen Team eine Mischung aus Universitäten, Praxispartnern, Startups, uns mit der Sanierung von Bestandsgebäuden beschäftigen. Und da ist das zentrale Element eigentlich eine Austauschplattform, die NaIS-Plattform.

00:13:54: Hanna Bonekämper: Und da ist eben die Idee, dass man analoge Daten wie zum Beispiel Grundrisse von Gebäuden hochladen kann. Diese werden dann digitalisiert und anschließend kann man dann Nachhaltigkeitsanalysen fahren, um Sanierungsmaßnahmen ableiten zu können. Also das ist so ein bisschen wie die Kernidee von dem Projekt.

00:14:09: Sandra: Wieso habt ihr euch auf Sanierung fokussiert als Forschungsfeld?

00:14:13: Hanna Bonekämper: Da muss man bedenken, dass rund 75 % der Gebäude in Deutschland vor 1978 errichtet wurden. Das heißt, da haben wir einfach ein riesiges Potenzial, durch die energetische Sanierung, Nachhaltigkeit zu fördern. Und deswegen beschäftigen wir uns eben damit. Dass die Gebäude vor 1978 errichtet wurden bedeutet, dass die vor der ersten Wärmeschutzverordnung errichtet wurden und deswegen eben das riesige Sanierungspotenzial an der Stelle.

00:14:36: Hanna Bonekämper: Dass die Gebäude so alt sind im großen Teil, bedeutet aber auch, dass die Daten, die da vorhanden sind, eben meistens nur analog oder unvollständig sind. Das heißt, unsere Denke ist eigentlich, wir müssten erst digitalisieren, damit wir dann nachhaltig sanieren können.

00:14:50: Sandra: Du hast uns ja gerade schon einen groben Überblick über die Teilnehmer im Forschungsprojekt gegeben. Vielleicht kannst du noch mal ein bisschen tiefer gehen. Wie stellt ihr den Praxisbezug sicher? Wer sind die verschiedenen Unternehmen, Startups zum Beispiel, die teilnehmen? Und wie bringen die sich auch mit ein?

00:15:04: Hanna Bonekämper: Sehr gerne. Also das Forschungskonsortium besteht natürlich aus uns, dem KIT mit mehreren Instituten. Wir haben auch noch KI-Experten dabei. Dann haben wir Züblin dabei als großen Praxispartner mit ganz viel Expertise und Erfahrung in dem Bereich. Dann haben wir als Startup einmal Caala dabei und noch Concular. Die machen beide Software-Anwendungen.

00:15:24: Hanna Bonekämper: Wir haben darüber hinaus auch noch die Hochschule Hof dabei. Die begleitet das Thema Data Governance, also wo Daten eben ein Thema sind, ist auch das sehr relevant. Und so versuchen wir eben etwas zu entwickeln, um auch diese Probleme, die ich eben schon angesprochen habe, einfach zu lösen. Und das ist eben so unser Ansatz, einfach viel den Markt auch so ein bisschen zu verstehen und da etwas zu entwickeln, was einfach auch die Sachen eben einfacher macht.

00:15:49: Hanna Bonekämper: Was den Praxisbezug angeht, denken wir auch bereits über das Forschungsprojekt so ein Stück weit hinaus und versuchen in Richtung Geschäftsmodell auch zu denken. Da haben wir auch Experten mit an Bord, die uns da beraten. Was können wir bedenken? Was können wir an Feedback mit reinnehmen? Dass wir da auch was, ja, am Ende ein Geschäftsmodell, einen Business Case draus machen können.

00:16:06: Sandra: Ja, sehr spannend. Eine der zentralen Arbeitsschwerpunkte von Fachplanern, Architekten, Ingenieuren und so weiter bei Sanierungsprojekten ist ja die Arbeit mit den Bestandsdaten. Was sind denn aus eurer Sicht die größten Herausforderungen bei Bestandsdaten?

00:16:20: Hanna Bonekämper: Die größte Herausforderung im Umgang mit Bestandsdaten ist eigentlich das Zusammensuchen und dann verstehen, welche Informationen brauche ich jetzt daraus, um dann eben die Schlussfolgerungen davon ableiten zu können. Also die Informationen sind ja sehr vielfältig oft. Das würde ich sagen, ist die große Herausforderung dabei und eben da auch den Durchblick zu bewahren.

00:16:38: Hanna Bonekämper: Also ich habe PDFs, ich habe Bilder, ich habe DWGs, ich habe verschiedenste Informationen und da genau setzen wir eben an, dass wir sagen, wir bündeln alle Informationen, die ich habe, in einem 3D Modell und kann dann damit einfach besser arbeiten, habe ein bisschen mehr Überblick: Welche Informationen sind da, aus welchem Alter oder aus welcher Zeit, und kann dann da Rückschlüsse ziehen, auf welchen Zustand ist das Gebäude gerade?

00:17:00: Sandra: Ihr nutzt ja verschiedene digitale Technologien, um das Problem zu lösen und die Herausforderungen zu lösen. Unter anderem auch künstliche Intelligenz. Wie genau unterstützt sie euch?

00:17:09: Hanna Bonekämper: Die KI wenden wir in erster Linie an, um die Grundrisse, die ja meistens schon vorhanden sind, aber eben in analoger Form, zu digitalisieren. Das heißt, wir haben ein KI-Tool entwickelt, wo man einen analogen Grundriss beispielsweise hochladen kann und dann ist das Modell so trainiert, dass es eben die einzelnen Elemente Wände, Türen, Fenster, aber auch im Großteil, der Plan als solches, den Plankopf, den Nordpfeil, das einfach erkennt und quasi mit Polygonen nachzeichnet, sodass ich dann am Ende ein DWG-Modell habe und dann auch im nächsten Schritt ein 3D-Modell.

00:17:40: Hanna Bonekämper: Das heißt das ist einfach ein großer Game Changer für uns, um die Pläne zu digitalisieren und hinterher aber auch aus den richtigen Datenquellen die richtigen Informationen für mich herauslesen zu können. Wie zum Beispiel Energieausweis: ist ja erstmal ein auch ein analoges Dokument und die KI kann eben auf die entsprechenden Inhalte oder auf die entsprechenden Informationen, die wir brauchen, für die Sanierungsmaßnahmen zugreifen.

00:18:04: Sandra: Wie viele menschliche Nacharbeit ist denn noch nötig, um Grundrisse heutzutage korrekt abzubilden?

00:18:10: Hanna Bonekämper: Das ist eine gute Frage, die ich so allgemein gar nicht beantworten kann, weil das ganz stark davon abhängt, welches Bestandsgebäude ich gerade digitalisieren möchte. Das heißt, wenn ich jetzt das KI-Modell so trainiert habe, dass es spezialisiert ist auf rechteckige Gebäude, dann wird es das sehr gut erkennen. Da ist wahrscheinlich wenig Nacharbeit notwendig. Wenn ich dann plötzlich ein rundes Gebäude habe, wird es wahrscheinlich ein bisschen schwieriger.

00:18:32: Hanna Bonekämper: Aber auch an der Stelle haben wir einfach noch viel Potenzial, weil so ein KI-Modell ist ja nie fertig trainiert. Aber an der Stelle möchte ich auch erwähnen, dass es manchmal auch so ein bisschen Abwägungsfrage ist, ab wann das ein Modell oder einen Grundriss wirklich auch korrekt oder perfekt für welchen Anlass.

00:18:46: Hanna Bonekämper: Also wir haben eben nicht das Ziel, eine perfekte, sehr kleinteilige Architekturplanung abzubilden. Das können und wollen wir auch nicht, sondern wir sagen wirklich, wir brauchen eine erste Einschätzung auf Portfolioebene und da muss dann eben nicht jedes Detail korrekt abgebildet sein.

00:19:01: Sandra: Ein weiteres Fokusfeld in eurem Forschungsprojekt ist ja die Bewertung von Nachhaltigkeit oder die Entwicklung von intelligenten Analysewerkzeugen, um auch zum Beispiel Nachhaltigkeitskriterien von Gebäuden bewerten zu können. Wie genau geht ihr das an?

00:19:17: Hanna Bonekämper: Ich würde sagen, NaIS ist weniger eine Bewertung der Nachhaltigkeit eines Gebäudes, sondern ein strategisches Instrument zur Steigerung der Nachhaltigkeit von Bestandsgebäuden. Und da machen wir eben oder bieten wir mehrere Nachhaltigkeitsanalysen an, Ökobilanzierung zum Beispiel oder eben einen ersten Quickcheck. Das heißt, unabhängig von dem digitalisierten Modell kann man dann abschätzen auf Basis der Fläche oder des Baujahres, welches Potenzial ich grundsätzlich habe, einfach Sanierungen anzuwenden und dann noch eine Sanierungsmaßnahme ableiten zu können.

00:19:50: Hanna Bonekämper: Aber beispielsweise auch eine Rezyklierbarkeits-Analyse könnte man sich vorstellen. Also es gibt so verschiedene Möglichkeiten, je nach Ziel auch was man erreichen möchte auf Portfolioebene.

00:20:01: Sandra: Wird da auch künstliche Intelligenz genutzt?

00:20:03: Hanna Bonekämper: Das ist eigentlich an der Stelle, ist es nicht so relevant. Das ist eher bei der Informationsaufbereitung und bei den wirklichen Nachhaltigkeits-Analysen ist es vielleicht im kleinen Teil auch noch mit drin, aber im Großen und Ganzen eher bei der Informationsaufbereitung.

00:20:15: Sandra: Als du uns die Einführung zum Projekt gegeben hast, hast du gesagt: Ein sehr zentraler Bestandteil ist die Austauschplattform. Wie genau sieht die denn aus? Für wen ist sie gedacht? Wie können Personen dort zusammenarbeiten?

00:20:27: Hanna Bonekämper: Also wie sie genau aussieht, wissen wir selber zu dem Zeitpunkt jetzt noch nicht, weil wir eben mitten in der Entwicklung sind. Es soll aber hinterher eine Website sein, die im Backend verschiedene Schnittstellen zu anderen Tools, zu anderen Unternehmen, zu anderen Firmen hat.

00:20:42: Hanna Bonekämper: Und ich kann dann wirklich als Nutzer, der Nutzer ist der Immobilienbestandshalter, mich dort einwählen und kann Informationen hochladen, alle Informationen, die ich zum Bestandsgebäude habe und kann dann eben beobachten, wie das Modell digitalisiert wird oder wie ich eben ein 3D-Modell erhalte und kann mich dann eben entscheiden:

00:20:59: Hanna Bonekämper: Möchte ich jetzt eine Sanierungs-Potenzialanalyse fahren oder möchte ich irgendwie einen Quick Check machen oder möchte ich eine Ökobilanzierung? Und so gibt es eben so verschiedene Wege. Also ist eigentlich so ein Zusammenführen von verschiedenen Informationen und dann am Ende auch das Auswerten von diesen Informationen.

00:21:15: Sandra: Als Forschungsprojekt erprobt ihr ja die Zukunft. Gibt es denn Tipps, die du Baubeteiligten schon heute geben kannst, um effizienter und nachhaltiger Sanierungspotenziale zu bewerten?

00:21:26: Hanna Bonekämper: Ich denke, dass Kollaboration das A und O ist, das heißt das miteinander statt das gegeneinander Arbeiten. Das sieht man ja auch an Tools wie BIM also Building Information Modeling, dass einfach da Tools entwickelt werden oder es ja auch schon gibt, wo Menschen zusammenarbeiten, verschiedenster Disziplinen, verschiedenster Denkweisen.

00:21:42: Hanna Bonekämper: Und ich denke einfach, dass gerade im Kontext “Umgang mit Bestand” gibt es immer viele Überraschungen, die da so auftauchen, dass es darum geht, sich auf andere Denkweisen, andere Menschen einlassen zu können und auch miteinander zu arbeiten. Und das macht die gemeinsame Arbeit an so komplexen Projekten einfacher und macht auch mehr Spaß.

00:22:01: Sandra: Ja, vielen Dank für diesen sehr spannenden Ausblick in die Zukunft. Hat mich gefreut, dich heute auch hier zu treffen. Dankeschön.

00:22:13: Wulf: Sandra, Du hast ja eingangs von einem wirklich großen Potenzial gesprochen: Von bis zu 4 Millionen Wohnungen, die sich realisieren ließen, wenn man Sanierung und Umnutzung von bestehenden Infrastrukturen ernsthaft angehen würde, um daraus Wohnraum zu schaffen. Hast du denn in den Gesprächen ein besseres Gefühl dafür bekommen, wie dieses Potenzial gehoben werden könnte?

00:22:33: Sandra: Ja, auf jeden Fall. Und auch dafür, dass Bauen im Bestand wirklich kein einfaches Unterfangen ist. Hier sind sehr gute Fachplaner:innen und Handwerker:innen notwendig, weil man muss regelmäßig mit Überraschungen umgehen. Den wirklichen Zustand sieht man oft erst, wenn die Wand einmal geöffnet ist. Deshalb sind detaillierte Planung notwendig, um die unerwarteten Kosten gering zu halten. Wie uns ja der Architekt Hendrik Tovar berichtet hat.

00:22:55: Wulf: Jetzt ist die Grundlage für solche Planung natürlich immer erstmal bestehende Daten. Und da ist es natürlich positiv, wenn ich schon digitalisierte Themen habe, zum Beispiel PDFs oder digitale Bilder. Aber häufig finde ich ja auch noch gerade bei Bestandsbauten analoge Papierpläne. Da sind viele Informationen drin. Es ist wirklich schwierig, die richtigen daraus herauszufiltern und sinnvolle Schlüsse zu ziehen.

00:23:16: Wulf: Wie wird denn dieses Problem angegangen?

00:23:18: Sandra: Ja, zum Beispiel in dem KI eingesetzt wird, um die Bestandsdaten zu digitalisieren und auch um wichtige Daten von unwichtigen zu unterscheiden. Und zum anderen, indem Bestandsdaten gar nicht genutzt werden, sondern neu gemacht werden, zum Beispiel in dem Laserscanner eingesetzt werden, um Punktwolken-3D-Modelle zu erstellen. Eine andere Möglichkeit wäre auch, Drohnen für ein Ausmaß einzusetzen. Darüber haben wir schon in unserer Folge “Aumaß im Flug” berichtet, die ich unseren Hörerinnen auch ans Herz legen möchte.

00:23:50: Wulf: Jetzt sind in meiner Wahrnehmung Sanierung und Umnutzung noch nicht wirklich gleichwertig in der Betrachtung zum Neubau, wenn es darum geht, wie kann Wohnraum geschaffen werden? Denkst du, das wird sich in naher Zukunft ändern?

00:24:01: Sandra: Ja, ich hoffe doch. Auch, weil es gar nicht anders gehen wird. Hanna hat ja zum Beispiel auch berichtet, dass 75 % der Gebäude in Deutschland vor 1978 errichtet wurden. Das heißt, mit dem Bestand umzugehen ist einfach ein ganz, ganz zentrales Thema. Und bestehende Gebäudesubstanz zu nutzen, ist natürlich unglaublich wichtig für die Umwelt und den Klimaschutz. Da müssen wir, glaube ich, nicht noch weiter ins Detail gehen.

00:24:24: Sandra: Das kann sich mittlerweile jeder vorstellen. Aber ein toller Faktor finde ich auch darüber hinaus, dass Projekte, Sanierungsprojekte häufig schneller fertig sind als Neubauprojekte. Das heißt, hier kann schneller eingezogen werden und das wünscht sich doch wirklich jeder.

00:24:38: Wulf: Das ist doch ein positiver Ausblick auf die Zukunft. Dann bleibt mir, unseren Gästen zu danken. Sandra, Dir zu danken für die Moderation der Folge. Natürlich auch unserem Team hinter dem Podcast, das immer viel Arbeit in unsere Folgen steckt, auch wenn sie hier nicht zu hören sind.

00:24:51: Wulf: Und wir danken unseren Zuhörerinnen und Zuhörern. Und wir freuen uns natürlich über euer Feedback unter podcast@z-lab.com, und freuen uns ebenso, wenn ihr uns auf den üblichen Podcast-Plattformen folgt. Um keine der neuen Ausgaben zu verpassen. Bis dahin, Tschüss.

00:25:08: Sandra: Tschüss auch von mir.

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